Aufnäher, Aufkleber, Spitzen, Stickereien, Schleifen, Knöpfe, Broschen und Anstecknadel – all das sind Elemente, die einem Kleidungsstück dekorative Akzente setzen und nicht selten zum Blickfang werden. Sie werden zugenäht, aufgeklebt, gestickt, befestigt, um eine bestimmte Kreation aufzuwerten.
Die Erfindung der 20er und 30er Jahren
Madeleine Vionnet, die zu der wichtigsten Modeschöpferin des 20. Jahrhunderts und zur „Meisterin des Stils“ ausgerufen wurde, hat aber eine andere Methode gefunden, um ihren Modekreationen Kontur und Gesicht zu geben – Schrägschnitt und sichtbare Nahtführung, aus der sie ein ansprechendes Zierelement machte. Die Kleider aus ungefärbten Stoffen, die in den 30-er Jahren voll im Trend waren, musterte sie mit Naht-Sternen, -Blumen, ineinander fallenden Kreisen und -Sechsecken. Sie veränderte die Nahtoptik von Ziernähten, um den Wow-Effekt auf den blassen Farbtönen wie Weiß und Mauve geschickt zur Geltung zu bringen. Ihre konstruktive Nuancierung der Nähte ersetzte alle Knöpfe, Verschlüsse und Ösen in dem Masse, dass sie diese Schmuckelemente nie verwendet hat.
Naht als Applikation bei Kleidungen
Die Naht bildet auch ein durchgehendes Motiv bei Vladmir Karaleev – dem zeitgemäßen Modedesigner. Dabei kombiniert er nicht mit unterschiedlichen Stichlängen und Stichtypen. Die Naht ist für ihn eine Dekoration an sich – eine offene Dekoration, ohne feine Stärkeabstufungen oder grobe Nähfäden. Die Unperfektion seiner Entwürfe wird zur unkonventionellen Perfektion, die nach kreativem Dekonstruktivismus strebt. Für den aus Sofia stammenden Modeschöpfer übernimmt die Naht eher die Rolle dekorativer Unfertigkeiten, die seine spontanen Schöpfungsakte unterzeichnen. Den Normalsterblichen ist bestimmt schon mindestens einmal im Leben eine gesteppte Ziernaht aufgefallen, die entweder Ton in Ton oder kontrastfarbig eine Kleidung veredelt. Manche Nahttypen lassen den angestrebten Used-Loook von Jeans, Hemden und Blazer erzielen, die anderen sorgen für edle Nahtoptik, die sich perfekt für alle Leder-Produkte eignen. Für elastische Stoffe, die oft bei Herstellung sportlicher Kleidung zur Geltung kommen, wird am häufigsten die Flatlock-Naht eingesetzt. Das ist eine flache Schmucknaht, die nicht auf der Haut reibt und offene Stoffkanten perfekt abdeckt. Oft wird sie im Kontrast zur Stofffarbe gestellt, was für einen Style-Look sorgt.
Mode-Design zeigt, wie eine Naht, die in erster Linie als Halte- und Befestigungselement dient, eine dekorative Funktion erfüllen kann. Wird sie geschickt in Szene gesetzt, dann sind keine Schleifen, Aufkleber und Knopfe nötig.